„Frauenförderung statt Gleichstellung in Ennepetal – Falscher Ansatz mit schlechter Umsetzung“
Am 12. März 2011 findet in Ennepetal der „Frauen- und Mädchenaktionstag“ statt, laut Ankündigung in Einladung und Flyer mit 100-jähriger Tradition.
Was soll man von einem Frauenaktionstag erwarten? Nach dem ersten Blick auf den Flyer und mit – wie sich herausstellt naiver – Unterstellung guten Willens hinter der Veranstaltung liegt die Vermutung nahe, es könne um das Aufbrechen althergebrachter Rollenmuster und die Motivation von Frauen und Mädchen gehen, sich in eher untypische Tätigkeitsbereiche vorzuwagen.
Immerhin ist das Motto „Mutige Mädchen mischen mit“: Der Mut, etwas Ungewöhnliches zu wagen? Spätestens der Blick ins Programm zerstört diese Illusion.
An diesem Frauenaktionstag wird für Mädchen und Frauen ein geschützter Raum geschaffen, in dem sie vermeintlich „frauentypischen“ Aktivitäten nachgehen können.
Doch seit mindestens 20 Jahren hat sich, zumindest im wissenschaftlichen Bereich, die Erkenntnis durchgesetzt, dass es um das Verhältnis der Geschlechter gehen muss, und nicht um die Förderung der vermeintlich schwachen Frauen. In Ennepetals Verwaltung ist diese Einsicht offenbar noch nicht angekommen.
Um sich einer Gleichstellung anzunähern, muss bei beiden Geschlechtern und den ihnen anhaftenden Rollenvorstellungen und –erwartungen angesetzt werden, nicht allein bei den Frauen.
Dieses Projekt ist jedoch klar wie ein Frauenförderungs-Projekt, nicht jedoch wie ein Gleichstellungs-Projekt konzipiert. Doch sogar innerhalb dieses überholten Ansatzes ist es noch mehr als fragwürdig. Würden wenigstens Programmpunkte angeboten, welche Frauen zu „Männer-Aktivitäten“ motivieren, ließe sich noch der gute Wille zur Förderung von Frauen unterstellen. Es gibt jedoch nur Angebote à la „Kochen, basteln, backen, bin ich schön?“. Eben solche, die in einer modernen Weltanschauung nicht mehr als Frauen-Arbeit angesehen werden sollten.
Das Programm vermittelt den Eindruck, Frauen und Mädchen seien schwach, müssten vor dem Rest der Welt geschützt werden und hätten einzig das Bedürfnis, unter Ihresgleichen ihre Kompetenzen zur Versorgung der Familie zu erweitern und natürlich einen netten Anblick für die Männer-Welt darzustellen.
Die Veranstaltung trägt nicht nur nichts zur Veränderung des Geschlechterverhältnisses bei, sondern macht bestehende Ungleichheiten noch schlimmer. Die Abschiebung von Frauen in die Welt des Kochens und Bastelns wird noch gefördert! Auch die Außenwirkung ist höchst bedenklich.
Die Auffassung, Männer und Frauen seien von Grund auf unterschiedlich und täten quasi genetisch bedingt unterschiedliche Dinge, wird durch solche Veranstaltungen untermauert, anstatt diese überholten Ansichten zu untergraben.
Kann und darf eine Gleichstellungsbeauftragte tatsächlich eine derartige, völlig veraltete Denkweise über das Verhältnis zwischen den Geschlechtern vertreten?
Außerdem stößt eine solche groteske Veranstaltung sicher nicht nur bei thematisch versierten und gleichstellungs-orientierten BürgerInnen auf Unverständnis. Alle gut gemeinten und zugleich durchdachten Bemühungen, die Gleichstellung voranzutreiben, werden durch gedankenlose Events wie den Ennepetaler Frauen- und Mädchenaktionstag ins Lächerliche gezogen. Die Abneigung gegenüber allem, was mit Gleichberechtigung zu tun hat, wird angeheizt und droht, hart erkämpfte Fortschritte zunichte zu machen.
Ein Einzelangebot wie Laubsägen für Frauen ist da nicht nur ein verzweifelter Versuch, die richtige Richtung wenigstens anzutäuschen. Es ist auch ein zynischer Tritt vors Schienbein all derer, die es mit der Gleichstellung ernst meinen und sich dafür einsetzen. Diese Arbeit wird in diesem Fall degradiert und konterkariert.
Insgesamt kann bei dem Aktionstag nicht die Rede davon sein, etwas für die Gleichstellung tun zu wollen, obwohl dies oberstes Ziel einer Gleichstellungsbeauftragten sein sollte.
Will man der Organisatorin zumindest keine Böswilligkeit unterstellen, so muss es eine ausgeprägte Gedanken-, Interessen- und Ahnungslosigkeit sein. Der Aktionstag in seiner vorliegenden Konzeption trägt eher zur Verfestigung von Rollenerwartungen bei, anstatt etwas zu verbessern. Unterschiede werden gefestigt, sowohl durch das fragwürdige Angebot als auch durch die Frauen-Exklusivität der Aktion.
Finanziert wird die Aktion in Organisation und Ausführung hauptsächlich durch die Stadt Ennepetal. Dabei kann sich jeder die Frage stellen, ob die knappen Finanzmittel hier richtig investiert sind. Anstatt „Zöpfe flechten“ für Frauen und Mädchen anzubieten, sollte „Alte Zöpfe abschneiden“ die Devise unserer Gleichstellungsbeauftragten sein.
Kathrin Sicks, Ennepetal